wenn ich etwas zu meiner kunst
sagen sollte
am liebsten wäre sie mir als garten
manches in den schatten
manches in die sonne rückend
aus meiner verfügbarkeit entwachsend
angewiesen auf das darüberhinausliegende
in einem garten kann man sich frei bewegen
darin herumtoben
zerstören
sich lieben
altes laub zusammenfegen
ein garten ist lange zeit
texte
Burkhard
Schlothauer
MUSIK - ZEIT - LEBEN - RAUM (ausschnitt)
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der
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Rede
von Klaus Sebastian anlässlich der Ausstellungs-
eröffnung"BRENNHOLZ"
von Marcus Kaiser im Kunstort
Bunkerkirche in Düsseldorf am 6.Oktober 2006 >
marcus
kaiser - feindtönung
- opernfraktal (2014)
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opernfraktal
(t/x/y) (projekttext 2003)
>
grün
>
Burkhard Schlothauer
MUSIK - ZEIT - LEBEN -
RAUM
(in gekürzter Form erschienen in Positionen 2006)
‚Klangraum’ im ‚Kunstraum
Düsseldorf’
‚Klangraum’ ist das
Musikveranstaltungsprogramm von Antoine Beuger im
‚Kunstraum Düsseldorf’. Diese
städtische Galerie ist im Erdgeschoß der
ehemaligen Maschinenfabrik ‚Jagenberg’ in der
Himmelgeister Straße ansässig, einem weiß
gekachelten vierstöckigen Fabrikgebäude aus der
Gründerzeit, das heute Ateliers und
Künstlerwohnungen, ein Cafe, einen Veranstaltungsort
für Jazzkonzerte (Alte Schmiede) und verschiedene
Ämter beherbergt. Kunstraum, ein L-förmiger,
etwa 5 m hoher Raum, ca. 400 m² groß.
Loftatmosphäre, weiße Wände, grauer
Zementboden, wenig Wand, der Raum wird durch Fenster
dominiert, große bodentiefe zum Hof und kleinere zum
rückwärtigen Außenraum, wodurch sich eine
offene und transparente Atmosphäre ergibt - auch die
Geräusche der hinter dem Gebäude spielenden
Kinder und des allgegenwärtigen Straßenverkehrs
sind zu hören. Ein metamorphosierter Raum, gewandelt
von einer Produktionshalle - einem Arbeits- und Zweckraum,
gefüllt mit Maschinen und Menschen, aus dem die Laute
des Arbeitens nach außen dringen - zum leeren Raum
für die Kunst, zu einem Raum in dem das Außen
klingt, der von Außen einzusehen, offen und
durchlässig ist. Keineswegs ein ‚idealer’
Raum, weder für Konzerte noch für bildende
Kunst. Ein klarer einfacher Raum, akustisch einer
kleineren Kirche vergleichbar. Ein schöner schlichter
Ort, der aufgrund seines Grundrisses und seiner
akustischen Gegebenheiten spezielle Anforderungen an die
Veranstalter und Aussteller stellt, der als Ort
Berücksichtigung fordert, in die Konzeption eines
Ereignisses einbezogen werden muss, eben der Ort, an dem
sich mit dem ‚Klangraum’ eine Kultur der
Besinnung und des Innehaltens präsentiert.
......
......
Ausstellungsperformance
Am I really here or is it only art?[1]
Der Maler, Installations- und Performancekünstler,
Cellist und Komponist Marcus Kaiser (*1967) veranstaltete
von 3.8.2003 bis zum 23.8.2003 sein ‚OPERNFRAKTAL 21
TAGE’ im Kunstraum. Kaiser, dessen gesamtes Oeuvre
eine komplizierte und tiefsinnige Verschränkung der
verschiedenen Kunstgattungen, in denen er zu Hause ist,
darstellt, und dessen Lebensort auch Atelier und
Veranstaltungsraum für die von ihm initiierte Reihe
‚Kaiserwellen’ ist, nannte viele seiner
früheren akustischen Arbeiten,
‚Klanginstallation mit Instrumenten’.
Häufig spielt bei diesen Ereignissen die Tonaufnahme
einer festgelegten musikalischen Aktion eine Rolle, die
dann bei späteren Wiederholungen der musikalischen
Aktion am selben Ort, oder je nach Konzept auch einem
anderen, wieder eingespielt und erneut in Kombination mit
der gegenwärtigen Aktion aufgenommen wird. Es
öffnet sich somit ein mehrdimensionaler Zeitraum im
Klangraum, das was gestern, vorgestern war, hat seine
Spuren hinterlassen und wird im Jetzt verknüpft und
erinnert, umso schemenhafter, je weiter es
zurückliegt. Der klingende Raum, die Aufnahme und
Abspieltechnik verändern, filtern, verrauschen und
fügen zusammen, erzeugen eine Projektion der Orte und
Zeiten des Geschehens in einer eigenartig
diskontinuierlich kreisenden Weise.
Da die Projektbeschreibung von ‚OPERNFRAKTAL 21
TAGE’ sehr klar formuliert und aussagekräftig
ist, möchte ich sie hier weitgehend unverändert
wiedergeben:
„Im gegebenen Zeitraum wird dieser Ort von vier
Personen bewohnt, die gegebene Aufgaben übernehmen
(Zeichner / Computer-Tontechniker / Instrumentalist / Koch
/ Sprecher...) und auch ihren privaten Tätigkeiten
nachgehen.
Von den konkreten Klängen des Ortes, der Umgebung und
der Menschen wird alle 5 Minuten 1 Minute aufgezeichnet
und am nächsten Tag zur selben Zeit wieder abgespielt
(und wieder aufgezeichnet...). So entsteht im Laufe der
Zeit eine computergesteuerte wuchernde Klangmassierung
(abgewechselt mit Stille), die sich mit den real
vorhandenen Klängen vermischt, bzw. sich ihnen
anschmiegt. Jeden Tag gibt es zu bestimmten Zeiten (6 Uhr
/ 12 Uhr / 18 Uhr / 24 Uhr) instrumentale bzw. mit der
Stimme artikulierte Zwischenspiele (als "Konzert im
Konzert"), die sich zunehmend in die durchgehende Struktur
der konkreten Klänge einweben. So entsteht nach und
nach eine "Oper", die keine Oper ist, eine
nichtinszenierte Inszenierung, eine reale Situation, die
nicht realistisch ist, ein Vivarium.
"OPERNFRAKTAL" ist ein Zustand eingebunden in
Architektur/Installation und Tätigkeit/Handlung und
Klang/Dauer im Sinne von "Chronotektur"; wie ein Aquarium
ausschnitthaft ungenügend ein Stück Amazonas
oder ein Stück Tanganjikasee nachbildet und den
Fischen einen wirklichen Lebensraum bietet. Ausgehend von
einigen Grundelementen ist die Situation offen und kann
sich verschiedenen Gegebenheiten anpassen...“
Im einrichtungsfreien Kunstraum markierten vier offene
‚Metallwinkelkuben’ mit den Maßen
1,50*2,80*1,50 die vier Funktionsräume:
‚Küche/Bar’, ‚Kommunikation/
Modell’ (in diesem Quader befand sich ein auf die
Aktion bezogenes Architekturmodell), ‚Elektronik/
Arbeit’. Im vierten, ‚Intuition/Klang’
genannt, nahm der Instrumentalist zur Durchführung
der alle sechs Stunden stattfindenden Konzerte Platz.
Zusätzlich gab es noch zwei Holzboxen von 2m*2m*2m
aus OSB- Platten als nicht einsehbare Schlafwürfel
und zwei große Zeichnungen im selben Maß, wie
die Frontflächen der Aktionsquader (1,50*2,80), die
ganzflächig wuchernde Urwaldvegetation zeigten.
Aus Holz speziell angefertigte Fotoboxen im Format DIN A4
waren zur Anfang der Aktion als Leergut skulptural
übereinander gestapelt, wurden Tag für Tag mit
den abgezogenen Digitalfotos des vorherigen Tages
gefüllt und dann auf dem Boden zur Ansicht
aufgestellt, überwucherten also den Boden mehr und
mehr. In Marcus Kaisers Kunstauffassung spielt die
Verschränkung von Zeit und Raum, für die er den
Begriff „Chronotektur“ geschaffen hat, eine
bedeutende Rolle. Normale Musik versuche, so Kaiser, Zeit
zu eliminieren und Langeweile als Bewusstwerdung vom
Vergehen der Zeit zu vermeiden. Chronotektur versuche
hingegen Zeit und Raum ineinander greifend zu gestalten.
Bilder würden eher Zeit repräsentieren als
Musik, Musik sei im Normalfall eher statisch und
bewegungslos wahrzunehmen, das Ohr ein passives Organ, das
Auge im Gegensatz dazu wesentlich freier und beweglicher,
es wandere über das Bild, es nehme sich selbst
bewegend, somit Zeit verbrauchend wahr.
21 Tage lebten, arbeiteten und performten die vier
Mitwirkenden im Kunstraum, die Grenzen ihrer
Tätigkeiten verflossen; ihre Anwesenheit war nicht
verpflichtend, immer aber war mindestens einer der Akteure
anwesend. Zum Leben, Essen und zur Übernachtung im
‚Vivarium’ war das Publikum ebenfalls
eingeladen. Kaiser geht es nach eigener Aussage darum,
Alltäglichkeiten wie z.B. Nahrungsaufnahme und Ruhen,
nicht aus dem Kunstereignis herauszudrängen. Durch
die Vorgabe der Gesamtzeit der Performance war dies
zwangsläufig gewährleistet, denn bei einem Event
dieser Dauer muss das physische Leben und die auftretenden
Probleme des Miteinanderlebens im Sinne einer
kompositorischen Konzeption voll integriert sein. Denn im
Gegensatz zum Konzertritual, indem der Künstler durch
schwarze Einheitskleidung und Podiumsstellung
entprivatisiert wird, bleibt jeder Teilnehmer des
Opernfraktals in seiner personalen und physischen
Beschaffenheit vollumfänglich wahrnehmbar - die
Grenzen des Alltäglichen zur Kunst ist Dauerthema.
„Die Binnenstruktur des Stückes ist für
mich weniger interessant, als seine Peripherstruktur; ich
reflektiere eher über ihre Zusammenhänge, wobei
ich nicht sicher bin, ob es überhaupt einen
Zusammenhang gibt.“
Durch Ritualisierung des Tagesablaufes mit Hilfe der
regelmäßig stattfindenden Konzerte brach sich
die immer wieder entstehende Alltagssituation und
ließ die Künstlichkeit der Situation bewusst
werden. Im übrigen diente diese Symmetrie aber auch
der Beobachtung von Zeiterfahrung: die jeweils beinahe
gleichen Zeitabschnitte von jeweils etwa 6 Stunden
zwischen den Konzerten wurden von den Akteuren je nach
Tageszeit und vorgenommener Aktivität vollkommen
unterschiedlich wahrgenommen.
..........
[1] Laurie Anderson, zitiert nach Charles, Daniel,
S.25
____________________________________________________________
Rede von Klaus
Sebastian anlässlich der Ausstellungseröffnung
"BRENNHOLZ" von
Marcus Kaiser im Kunstort Bunkerkirche in
Düsseldorf am 6.Oktober 2006
....
Marcus Kaiser ist ein Künstler, der sich unserer Welt
mit unbefangener Neugier nährt, der das Gewohnte
aus ungewohnter Perspektive unter die Lupe nimmt, der
Vorgefundenes in seine Elemente zerlegt, um sich dann aus
den Teilstücken eine eigene Welt zu erfinden.
Am Beispiel seiner merkwürdig durchleuchteten
Weltkarten lässt sich diese Vorgehensweise recht gut
veranschaulichen. Das orginale Kartenmaterial, das unseren
Planeten ja eigentlich aus der Vogelperspektive abbildet -
also von oben oder von außen - verwendet Marcus
Kaiser als Ausgangsstoff für eine hintersinnige
Wahrnehmungsverschiebung.
Wie sähe denn unsere Erde aus, wenn man sie eben
nicht von außen, von oben oder vom Weltall aus
darstellte, sondern sozusagen aus menschlicher
Perspektive, ein wenig bescheidener, nämlich von
unten.
Stellen Sie sich vor; Sie befänden sich in einem
beleuchteten Globus und betrachteten die
Erdoberfläche von dort aus. Die illuminierten
Weltkarten, die wir hier in den Bunkerzellen vorfinden,
kann man als Annäherung an ein derart gefühltes
Wahrnehmungsbild mit menschlichem Maßstab begreifen.
in minuziöser Geduldsarbeit hat der Künstler das
Kartenmaterial zerschnitten, zerlegt und wieder
zusammengefügt. Es handelt sich hier also um ein
analytisches Verfahren und um eine intellektuelle
Spiegelung im wahrsten Sinne des Wortes. Intellekt - das
bedeutet: Innewerden, Wahrnehmung, geistige Einsicht, In
der Tat denkt Hier ein Künstler über Welt nach
und überraschenderweise kommt er dann noch zu einem
Ergebnis, das sich auch in sinnlicher Weise - als
schöne, neue, ästhetische Weltabbildung sehen
lassen kann.
Marcus Kaiser gefällt die Idee, das der Besucher
seine künstlerischen Zellen wie künstliche
Gärten durchwandert. Im Vorübergehen lassen sich
die hier im Bunker entstandenen Erlebnisräume aber
nicht wirklich erschließen.
Den Welten und künstlichen Gärten des Marcus
Kaiser ist nähmlich stets ein verborgener Sinn
eingepflanzt - ein Geheimnis, dem man sich nähern
kann, das sich aber allein mit dem Intellekt nie bis ins
Mark durchleuchten lässt.
Die vom Künstler selbst entworfenen und gebauten
Karten-Regale, die an Schautafeln oder grosse
Setzkästen erinnern und in ihrer
Plexiglasästhetik Objektivität vorspiegeln,
verwirren den Betrachter zunächst. Sie möchten
unseren Blick weiten, uns die Augen öffnen, für
eine andere Sicht auf unsere funktionale, normierte,
neuzeitliche Weltanschauung.
Weltanschauung im biologischen wie im geistigen Sinn.
Es kann nicht schaden - so scheint uns Kaiser zu erinnern
- die reale Erfahrungswelt für ein paar Augenblicke
zu verlassen, um sich versuchsweise dem Unbekannten
auszusetzen, sich im Ungewissen wie in einem Labyrinth zu
verirren.
Dabei hat der Künstler seine Weltkarten sogar mit
Kompass-Hilfe in exakte Ost-West Richtung gebracht. In der
Installation von Marcus Kaiser kann man also eine
geographische und eine zeitliche Ausrichtung feststellen.
Denn der Blick geht zun einen nach innen, zurück in
die vergangenheit des Orts - und dann in Form von
Projektionen und architektonischen Modellen hinaus in die
Zukunft.
Die unterirdische Welt der Bunkerkirche erscheint da
beinahe ideal - als Gegenraum zur Realität und als
Raum für Gegenmodelle mit eigenständigen
klimatischen Bedingungen.
Ausgesprochen passend zu diesem dringlichen Thema wird man
in Kaisers Klimazellen an die Realität des Bunkers
erinnert. Dessen Schutzräume waren oder sind
Fluchtorte. Biotope in denen ein Überleben
möglich sein könnte.
Der Künstler präsentiert uns die Zellen der
Bunkerkirche so gesehen nicht als Erinnerungs- oder
Schreckensräume, sondern er richtet den blick in die
Zukunft, interpretiert den Ort als Überlebensraum.
Ein Raum womöglich in welchem Natur nur noch als
Projektion existiert. Sie haben hier unten vielleicht
schon einige Projektionsflächen mit grünen
Wäldern gesehen. Aus der Bunkerkirche mit ihrem
Andachtsraum (Andacht, das bedeutet: "mit Hingabe an etwas
denke") könnte so womöglich ein Raum zum
Nachdenken werden, nicht zuletzt zum Nachdenken über
die Zukunft unseres Planeten.
Heute kann man sich ja kaum noch vorstellen, dass in den
Räumen vor etwas mehr als 60 Jahren über 2000
Menschen Platz fanden. Menschen die vor Bombenhagel
flohen.
Die Frage, was an solchen Orten überlebensnotwendig
wäre, würden Architekten, Heizungsbauer oder
Lebensmitteltechniker mit ganz unterschiedlichen
Lösungsvorschlägen beantworten. Der
Künstler besinnt sich - und hier mag man eine
Verwandtschaft zu Klaus Rinke, seinem Lehrer an der
Kunstakademie, erblicken - er besinnt sich aufs
Elementare. Zum Beispiel aufs Holzhacken und andere
lebenserhaltende Tätigkeiten. Der Künstler als
Prototyp des tätigen Menschen nimmt sein Schicksal
selbst in die Hand, erschafft sich seine eigene sichtbare
und geistige Welt.
Im Akt des Holzspaltens macht Kaiser zudem das analytische
Prinzip des "Zerlegens" noch einmal anschaulich. Er greift
Material als Teil der Welt auf und macht es verwertbar.
Ein wichtiger Aspekt dieser Arbeiten scheint mir, dass sie
uns vor Augen führen, wie einseitig unsere erlernten
und normierten Wahrnehmungsweisen in Wirklichkeit sind.
Marcus Kaiser ist übrigens Linkshänder - das hat
er mir im Gespräch verraten - und als
Linkshänder musste er sich von Anfang an darin
üben und sich daran gewöhnen, mit beiden
händen gleich gut zu operieren.
So zeichnet er, wenn er auf Reisen ist, mit beiden
Händen gleichzeitig, und zwar nicht in aller ruhr im
Hotelzimmer, sondern in voller Fahrt: In der Pariser
U-Bahn, im Taxi oder in einem rappelden Bus auf einer
Fahrt durch Indien. Wie ein Seismograf Zeichnen beide
Hände die Reise-Bewegung auf. Auch in diesen
sensiblen Studien schlägt sich offensichtlich ein
elementares Stück Welterfahrung nieder.
Einseitigkeit wird man einem beidhändig operierenden
Künstler also gewiss nicht vorwerfen können.
Kaiser hat dialektisch stets auch die andere Seite, die
andere Sichtweise im Blickfeld. Zweispurig verliefen
übrigens auch seine Studienjahre. Neben seinem
Studium an der Kunstakademie schloss er an der
Robert-Schumann-Musikhochschule hier in Düsseldorf
auch noch ein Violoncellostudium ab. Seitdem arbeitet er
als Bildhauer und als Musiker - oftmals
interdisziplinär. Die Klänge, Stimmen und
töne in dieser Ausstellung hat er alle selbst
aufgenommen und eingespielt.
Meine Damen und Herren - wenn man Kunst und Wissenschaft
miteinander vergleicht - und manche sehen ja die Kunst als
Pendant zur Wissenschaft - so wird man feststellen, das
die Wissenschaft immer Eindeutigkeit anstrebt. Die Kunst
erlaubt und fordert aber Mehrdeutigkeit.
Auch wir als Besucher dieser erfrischend mehrdeutigen
Ausstellung sind somit aufgefordert, offen zu sein
für einen Dialog mit der Kunst. Um mit ein wenig
analoger Phantasie wird jedermann hier zu einer eigenen
Deutung kommen.
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marcus kaiser - feindtönung
- opernfraktal (2014)
Wenn man den Innenhof von Marcus Kaisers Atelier in
Düsseldorf betritt, steht man unter grossen
Baumfarnen und Palmen. In einem artifiziellen
innerstädtischen Regenwald.
In der skulpturalen Präsenz, dem Wachstum, in der
klimatischen Abhängigkeit, dem zeitlichen Entfalten,
Verflochtensein und der Beziehung der einzelnen Pflanzen
zum Ganzen zeigt sich vieles von Kaisers Sichtweise auf
Welt und Kunst.
Marcus Kaiser (geboren in Tübingen und aufgewachsen
am Rand der Schwäbischen Alb) hat in Düsseldorf
Musik und Kunst studiert und in diesem weiten Feld bewegt
sich sein Arbeiten.
Über lange Zeiträume (Jahre, Jahrzehnte)
entstehen simultan verschieden Serien, Werkgruppen. Mal
die Eine, dann wieder eine Andere mehr in Erscheinung, in
den Vordergrund tretend, "als wären sie Teil einer
riesigen rhizomatischen Assemblage*":
- Klang, Videoarbeiten die sich über die Jahre
Schicht für Schicht verdichten.("unterholz",
"an einem ort - an einem anderen ort", "goldfischglas"...)
- "Grosse Grüne Bilder",
Urwaldzeichnungen die langsam den gesamten Bildraum
füllen und dann Schicht um Schicht grünen bis
nahe an die Sättigung, bis die Details wieder
anfangen im Ganzen zu verschwinden.
- Zeichnungen auf Kontoauszügen ("Ich
- trojanisch" seit 2001)
- Arbeiten bei denen sich Gegenstände des
alltäglichen Lebens über sehr lange
Zeiträume ansammeln ("ich/verwurstelung"
(Teebeutel, seit 1989); "ich/ovovivipar (seit
1997, Eierschalen).
- "Parallel Bücher" (seit 1999 -
Zeichnungen mit rechts und links, meist in Bewegung, auf
Reisen, im Zug, Bus, Flugzeug....)
- "der Rand der Tage" (morgens und abends,
Aquarellfarbe auf Papier.)
- "opernfraktalmodelle und -gärten".
....
Diese sehr unterschiedlichen
"Schichten" gruppieren sich in grösseren
Ausstellungen zu komplexen Gefügen. Biotopen,
Chronotopen, Lebensrauminstallationen in denen der
Künstler während der Ausstellung auch leben und
arbeiten kann.
In diesen Ausstellungen entstehen Videos,
Klangaufzeichnungen, Fotos, die in folgende Ausstellungen
eingewoben werden und die zukünftige Konstellationen
eröffnen, ihre eigene Geschichte erzeugen.
In der Ausstellung "opernfraktal/feindtönung"
(eine der fruchtbaren Sprachschöpfungen des Biologen
Jakob von Uexkülls**) bewohnte Marcus Kaiser mit
seinen Pflanzen eine der Hallen des ehemaligen
Bahnbetriebswerks München-Thalkirchen.
In der Mitte der dunklen und kalten
Halle steht ein grosser, hell erleuchteter transparenter
Kubus. Wie ein grüner Planet im Raum bildet er den
(Über-)Lebensraum für Baumfarne und Hummeln und
für den Künstler; - mseinsiedelei.
Auf den ersten Blick eine Idylle, die
bei näherer Betrachtung Risse bekommt:
Hummeln könnten in einem Baumfarnwald nicht leben, da
sie die entwicklungsgeschichtlich jüngeren
Blütenpflanzen mit Ihrem Nektar und Blütenstaub
zum Überleben brauchen.
Versteckt in den Pflanzen sind
Mikrophone und Lautsprecher wie zur Überwachung: Alle
5 Minuten wird eine Minute aufgenommen und am
nächsten Tag zur selben Zeit eingespielt (und wieder
aufgenommen ..): Grosses Raster - wie der
Pulsschlag eines riesigen wuchernden Organismus, der sich
zunehmend verdichtet und in den
Rückkopplungsschleifen anfängt zu
übersteuern. (Und vielleicht hört man nachts aus
dem Tierpark auf der gegenüberliegenden Isarseite die
Löwen brüllen und die Wölfe heulen).
Aus den grossen Baumfarnwäldern
des Karbon ist die Kohle entstanden mit denen die
Dampflocks der Isartalbahn von hier aus fuhren, als Teil
einer Entwicklung, die uns heute das fürchten lehrt
und unsere Umwelt mit ganz neuartiger Feindtönung
auflädt.
Und wie in einem Planetensystem um den
Zentralkörper, quasi in seinem Schwerkraftfeld
weitere Arbeiten:
- Ein "opernfraktal modell"
das formale Strukturen des grossen Kubus aufnimmt,
weiterentwickelt und in eine andere Dimension
überführt.
- Ein langer Tisch mit Zeichnungen. "Ich
- trojanisch" in denen 'naiv, holzschnittartig,
animalisch' Zeichnungen auf Kontoauszügen von der
Welt künden.
- Eine grosse Videoprojektion.
Video/Klangarbeit in der auch Elemente der Ausstellung,
teilweise in anderem Kontext, auftauchen. Diese Arbeit
wird sich im lauf der Ausstellung verändern indem
aktuelles Material aus der Ausstellung, aus dem Umfeld der
Ausstellung auftaucht bzw. in anderen Bezügen wieder
auftaucht. (auch in Bezug auf die Arbeiten/Ausstellungen
in München 2011 (heraklits kitchen) und 2008
(opernfraktal/überwinterung), die thematisch
in enger Verbindung stehen).
- Darüberhinaus wird Marcus Kaiser
im münchner Stadtgebiet unterwegs sein um an den "Parallel
- Büchern" weiterzuarbeiten.
*zitiert aus dem Artikel "Wandelweiser" von Michael
Pisaro
in der Übersetzung von Antoine Beuger
http://www.wandelweiser.de/_texte/erstw-deutsch.html
**...Um mit einem anderen Begriff zu sprechen, der
den vielen orginellen Sprachschöpfungen von
Uexkülls entnommen ist: Die Nachtraubtiere
verbreiten ebenso wie die Gespenster in unserer Umwelt "Feindtönungen".
zitiert aus dem Vorwort von Rudolf Bilz: Jakob von
Uexküll Theoretische
Biologie (suhrkamp taschenbuch Seite XII)
> nach oben
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OPERNFRAKTAL (
t / x / y )
"opernfraktal" ist ein zustand/eine bewegung eingebunden
in architektur/installation und tätigkeit/handlung
und dauer/klang im sinne von CHRONOTEKTUR.
wie ein vivarium ausschnitthaft ungenügend ein
stück tanganjikasee oder amazonasregenwald nachbildet
und einen wirklichen lebensraum bietet.
ausgehend von einigen grundelementen ist der zustand offen
und kann sich verschiedenen gegebenheiten anpassen, wie
einer galerie/ausstellungssituation, dem öffentlichen
raum oder extremsituationen wie einer installation im
pantanal oder dem ruwenzorimassiv.
die situation ist immer eine belebte und erzeugt ihre
eigene geschichte mit den dingen und den menschen. die
einzelnen individuen übernehmen ihrem charakter und
ihren fähigkeiten entsprechende aufgaben (der
beobachter, die schöne frau...), gehen aber auch
ihren eigenen tätigkeiten nach, die mit der zeit zu
einer veränderung und verdichtung der situation
führen.
die raum und zeitstruktur wird durch raster geordnet, die
sich im konkreten hier und jetzt füllen und
verdichten. rahmen und raumraster für die evokation
der veränderung und für die verschiedenen lebens
und tätigkeits bereiche; zeitraster als
regelmäßige wiederholungsmuster über
größere zeiträume und als zyklische
aufnahme und wiedergabe muster.
erste konkretion
o p e r n f r a k t a l
2 1 t a g e
6° 46' 49,2" east
51° 11' 55,2" north
vom 3/8/2003 - 23/8/2003 wurde der kunstraum
düsseldorf von In Sook Kim, Bernd Glaser, Frank
Eickhoff und Marcus Kaiser bewohnt. sie übernahmen
spezifische aufgaben (fotographie, computeranimierte
zeichnung, programmierung/tontechnik, instrumentalmusik),
gingen aber auch ihren eigenen tätigkeiten nach.
der raum war tag und nacht geöffnet und besucher
konnten im rahmen der möglichkeiten dort essen und
trinken, arbeiten und auch übernachten.
vier metallwinkel-kuben (je 150cm/150cm/280cm) waren
für die verschiedenen tätigkeitsbereiche
bestückt:
küche/bar - kommunikation/modell - elektronik/arbeit
- intuition/klang.
die streng quadratische aufstellung wurde in einem
architekturmodell, ausgehend von kuben derselben
proportion, aufgenommen. mittels foto und computer wurden
dort situationen der ausstellung inszeniert.
die während der ausstellung entstandenen fotos
breiteten sich zunehmend in speziellen boxen auf dem boden
aus.
für die nacht standen zwei schlafboxen (je
200cm/200cm/200cm) mit insgesamt vier doppelplätzen
zur verfügung.
täglich gab es vier konzerte, alle 6 stunden:
um 0uhr (of1): 15 minuten cello und sinustongenerator
um 6uhr (of2): 30 minuten stimme und elektronik*
um 12uhr (of3): 30 minuten cello und elektronik*
um 18uhr (of4): 60 minuten cello und elektronik*
(*die konzerte wurden jeweils aufgezeichnet, teils einfach
verändert, und am nächsten tag zum selben
konzert zugespielt).
eine computergenerierte klanginstallation, die alle
5minuten eine minute aufzeichnet und am folgenden tag zur
selben zeit wiedergibt führt zu verschiebung von
klangmaterial in den einzelnen stücken infolge der
nicht präzisen anfangszeiten der konzerte.
am 21tag nach dem letzten konzert wurden alle vier
konzerte mit ihren jeweils 21 konkretionen collagenartig
übereinandergelegt und sind als CD / DVD
verfügbar.
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im kindergartenalter führte der weg zu meinen
freunden an einem dichten wäldchen entlang. im
frühen sommer ereignete sich dort etwas
erstaunliches. der wenig benutzte bürgersteig war
voll mit kleinen, fast schwarzen fleischigen
tröpfchen und man musste aufpassen, keines zu
zertreten. vor allem an der bordsteinkante tummelten sich
auf strassenniveau massenweise die winzigen ärmchen
und beinchen; der weg zurück ins feuchte gras und ins
gebüsch abgeschnitten durch die hellgrauen, dunkel
gesprenkelt in den himmel ragenden
granitbordsteinblöcke. für ein kleines kind war
es ein leichtes, durchs dichte gebüsch ins unterholz
zu gelangen. im halbdunkel der vegetation gab es zwischen
den jungen erdkröten - kaum einen fingernagel gross -
auch einige junge grassfrösche. da ihre metamorphose
von der kaulquappe zum frosch früher im jahr
stattgefunden hatte waren sie ein gutes stück
grösser und kräftiger und mit ihren
längeren hinterbeinen wesentlich sprungkräftiger
und schwerer zu fangen. der boden wurde immer feuchter und
dann etwas matschig. ich sank aber nicht ein. und dann
stand ich direkt am flachen wasser. das wilde
gestrüpp über mir hängt kahl in den see im
schatten der grossen bäume. das
gegenüberliegende ufer verdeckt durch einen im
sonnenlicht wuchernden schilfgürtel vor dem in den
himmel ragenden grün.
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