REHEARSING SCHOENBERG

 (2024 ongoing)

 
 rehearsing Arnold Schoenberg:
 "Concerto for Violoncello" (first movement)
 composed in 1932/33 after the
 "Concerto for Clavicembalo" composed in 1746
 by Georg Matthias Monn

 mit Sätzen aus:
 Theodor W. Adorno - "Philosophie der neuen Musik"
 Thomas Mann - "Die Entstehung des Doktor Faustus"
 und Sätze von Arnold Schönberg

 
 rehearsing schoenberg (2024)
 4K video, stereo sound, 247' (stand 1/2024)

 




                                      
 rehearsing schoenberg (A) 80'16'' (full HD)
 rehearsing schoenberg (B) 81'22'' (full HD)  rehearsing schoenberg (C) 85'22'' (full HD)


rehearsing schoenberg

»Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich unentwegt am Konzert von Monn arbeite - ich habe noch nie ein so schwieriges Werk studiert und - um Ihnen meine Bewunderung zu bezeugen - die Schwierigkeiten sind so vielfältig, daß es zuviel gesagt wäre, den Zeitpunkt festzulegen, wann das Werk der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann« schrieb Pablo Casals in einem Brief an Arnold Schönberg im Juli 1933.
 
Vor allem im ersten Satz* des Cellokonzerts nach Matthias Georg Monns Clavicembalo- konzert scheint Schönberg jegliche Redundanz im Solopart vermeiden zu wollen. In unerbittlicher Weise reihen sich Phrasen unterschiedlichster Spielweisen höchster Virtuosität aneinander, wie in einer Serialität technischer Schwierigkeiten.

Das vermeiden jeglicher Wiederholung steht in seltsamer Unproportion in Bezug zur Praxis des Übens. Der Gegensatz zwischen den unzählbaren Wiederholungen bei der Erarbeitung eines Stücks und der Einmaligkeit bei der Aufführung des Stücks erreicht seinen Höhepunkt.

rehearsing schoenberg“ nimmt diesen Prozess als Material. Bringt den Prozess aus dem Hintergrund „ins Stück“. Das tägliche Üben in seinem oszillieren zwischen Strenge und Spiel, Penetranz und Stagnation, Planerfüllung und Kontingenz. Der Prozess des Identischwerdens mit sich selbst im Bild der beiden aus der Folge der Zeit geschnittenen Körperhälften, die mit der zusammengesetzten neuen Einheit ringen. Das Modell klassischen Könnens als maximale (Selbst) Überwachung.



*der 3. Satz ist in dieser Hinsicht konventioneller und Phrasen wiederholen sich auch in der Solostimme in anderer Tonlage. Und im 2. Satz zeigt sich Schönbergs Unbehagen am Ausweiden der vorklassischen Vorlage in seiner Vorgabe „con sordino“ (mit Dämpfer). Alles wird Ungreifbarer, wie in einen feinen Nebel gehüllt (ganz anders als Stawinsky in der etwa zeitgleich entstandenen Suite italienne).


 Düsseldorf 2024



(Arnold Schönberg)


So ist es leicht, eine "Weltanschauung" zu haben, wenn man nur das anschaut, was angenehm ist, und das Übrige keines Blickes würdigt.


Ich hoffe, meine Schüler werden suchen! Weil sie wissen werden, daß man nur sucht, um zu suchen.


Unsere Zeit sucht vieles. Gefunden aber hat sie vor allem etwas: den Komfort.


Und eine in ehrlichem Suchen gefundene Irrlehre steht noch immer höher als die beschauliche Sicherheit dessen, der sich gegen sie wehrt, weil er zu wissen vermeint - zu wissen, ohne selbst gesucht zu haben!


Aber: immer wieder, immer wieder von vorne anfangend; immer wieder von neuem selbst beobachtend und selbst zu ordnen versuchend.


Und das Verhängnisvollste: man glaubt einen Maßstab zur Ermittlung des Kunstwerts auch künftiger Kunstwerke gefunden zu haben.


Denn nochmals: die Naturgesetze kennen keine Ausnahmen, die Kunsttheorien besteht vor allem aus Ausnahmen.


Die Musik soll nicht schmücken, sie soll wahr sein.


Kunst kommt nicht vom Können sondern vom Müssen


Man denkt nur um seines Gedankens willen.
Und so kann Kunst nur um ihrer selbst willen geschaffen werden.


Ein Gedanke entsteht; er muß gebildet, gestaltet, entwickelt, ausgearbeitet, durchgeführt und ganz zu Ende gedacht werden.


Denn es gibt nur »l’art pour l’art«, Kunst allein um der Kunst w
illen.

 



(Thomans Mann)


Mit Schoenberg, so hoch er ihn stellte, hielt er persönlich nicht Umgang, - was sich wahrscheinlich daraus erklärte, daß der Meister den kritischen Einschlag in der Verehrung des Jüngers witterte.


Ich wog Hubermanns Bogen in der Hand, der mir überraschend schwer erschien. Walter lachte. „Ja, die Leichtigkeit“, sagte er, "das ist er, nicht der Bogen!"


Ein Abend bei Adorno führte mich wieder mit Hanns Eisler zusammen, und es gab eine Menge stimulierend ‚zugehörigen’ Gesprächs: über das schlechte Gewissen der homophonen Musik vor dem Kontrapunkt, über Bach, den „Harmoniken“ (als welchen ihn Goethe bestimmt hatte), über Beethovens Polyphonie, die nicht natürlich und "schlechter" sei als die Mozarts.


Als ob es auf das Gefallen überhaupt ankäme und nicht vielmehr auf die Wirkung, die sich aus Mißverständissen, Kontroversen, Peinlichkeiten endlich denn doch herausklärt.


Um was wäre es uns jemals zu tun, als unser Äußerstes zu geben? Alle Kunst, die den Namen verdient, zeugt von diesem Willen zum Letzten, dieser Entschlossenheit, an die Grenze zu gehen, trägt das Signum, die Wundmale des "utmost".


War je einer, dem der Kobold des Hervorbringens im Nacken saß, so ein vom Jahr- und Tag-Werk immer Versorgter, Besessener, Präokkupierter - ein erfreulicher Mitmensch?


Dabei war der Gedanke an das Werk wie eine offene Wunde, die nur, und sei es auch in liebevollster Absicht, berührt zu werden braucht, um mich in meiner Schwäche auf unvorhersehbare Weise zu erschüttern.


Bei den griechischen Poeten, heißt es da, habe der Gott Jupiter niemals gesungen, noch die Zither geschlagen, und Pallas habe die Flöte verflucht.


Die Musik ist immer verdächtig gewesen, am tiefsten denen, die sie am innigsten liebten, wie Nietzsche. -


Es ist ja im ganzen ein wunderliches Aquarium von Geschöpfen der Endzeit.


Wie viele beschäftigende Vorkommnisse, politische und persönliche, Erfahrungen der Lektüre, gesellschaftliche Zwischenfälle und solche, die der Posteingang mit sich bringt, spielen aber fortwährend ins Hauptbetreiben, das laufende Werk hinein, dem ja immer nur drei, vier beste, hermetisch abgesonderte Tagesstunden eigentlich angehören!


Hat das musikalische Genie überhaupt nichts mit Humanität und‚ verbesserter Gesellschaft zu tun?


Er behauptete, er habe darin seine Krankheit und ärztliche Behandlung samt ‚male nurse‘ und allem übrigen dargestellt. Übrigens sei die Aufführung äußerst schwierig, ja fast unmöglich, oder nur für drei Spieler von Virtuosenrang möglich, dabei aber sehr Dankbar vermöge außerordentlicher Klangwirkungen.
 



(Theodor W. Adorno)


Keine Kritik am Fortschritt ist legitim, es wäre denn die, welche sein reaktionäres Moment unter der herrschenden Unfreiheit benennt und damit jeden Missbrauch im Dienst des bestehenden unerbittlich ausschließt.


"Der Mittelweg", heißt es im Vorwort Schönbergs zu den Chorsatiren, "ist der einzige, der nicht nach Rom führt."


Die vorsätzlichen Stilkategorien bezahlen ihre Zugänglichkeit damit, daß sie nicht selber die Komplexion des Gebildes ausdrücken, sondern unverbindlich diesseits der ästhetischen Gestalt verbleiben.


Jene Abwendung der modernen Malerei von der Gegenständlichkeit, die dort den gleichen Bruch bezeichnet wie hier Atonalität, war bestimmt von der Defensive gegen die mechanisierte Kunstware, vorab die Photographie.


Es zeichnet ein musikalischer Typus sich ab, der, bei unverzagter Prätention des Modernen und Seriösen, durch kalkulierten Schwachsinn der Massenkultur sich angleicht.


Seitdem der kompositorische Prozeß einzig an der eigenen Gestalt eines jeden Werkes, nicht an stillschweigend akzeptierten, allgemeinen Forderungen sein Maß hat, läßt sich nicht mehr ein für allemal „lernen“, was gute oder schlechte Musik sei.


Wer urteilen will, muß den unauswechselbaren Fragen und Antagonismen des individuellen Gebildes ins Auge sehen, über die keine generelle Musiktheorie, keine Musikgeschichte ihn unterrichtet.


Musik hat an dem teil, was Clement Greenberg die Aufspaltung aller Kunst in Kitsch und Avantgarde nannte, und der Kitsch, das Diktat des Profits über die Kultur hat deren gesellschaftlich reservierte Sondersphäre längst sich unterworfen.


Philosophie der Musik heute ist möglich nur als Philosophie der neuen Musik.


Fast möchte man die gebildeten Hörer für die ärgsten halten, jene, die auf Schönberg mit dem prompten „Das verstehe ich nicht“ ansprechen, einer Äußerung, deren Bescheidenheit Wut als Kennerschaft rationalisiert.


Heutzutage läuft das romantische Urmotiv auf die Empfehlung heraus, durchs Vermeiden der Reflexion eben jenen traditionell vorgegebenen Stoffen und Formkategorien sich zu beugen, welche dahin sind.


Die gesellschaftliche Isolierung, die von der Kunst aus sich heraus nicht zu überwinden ist, wird zur tödlichen Gefahr ihres eigenen Gelingens.


Die Auflösung jegliches Vorgegebenen hat nicht in der Möglichkeit resultiert, über alles an Stoff und Technik nach Gutdünken zu verfügen - das wähnt nur der ohnmächtige Synkretismus, und selbst so großartige Konzeptionen wie Mahlers Achte Symphonie sind an der Illusion solcher Möglichkeit gescheitert - sondern er ist zum bloßen Exekutor der eigenen Intention geworden, die ihm fremd, als unerbittliche Anforderungen aus den Gebilden entgegentreten, an denen er arbeitet.


Jene Art Freiheit, die Hegel dem Komponisten zuschreibt und die ihre äußerste Realisierung in Beethoven fand, von dem er keine Notiz nahm, ist auf ein wie immer auch Vorgegebenes notwendig bezogen, in dessen Rahmen eine Vielfalt von Möglichkeiten offen liegt.


Die Verwandlung der ausdruckstragenden Elemente von Musik in Material, welche Schönberg zufolge durch die ganze Geschichte von Musik hindurch unablässig statthat, ist heute so radikal geworden, daß sie die Möglichkeit von Ausdruck selber in Frage stellt.


Es bleibt der avancierten Musik nichts übrig, als auf ihrer Verhärtung zu bestehen, ohne Konzessionen an jenes Menschliche, das sie, wo es noch lockend sein Wesen treibt, als Maske der Unmenschlichkeit durchschaut.


Von der Musik wie von allen Äußerungen des objektiven Geistes wird heute die uralte Schuld einkassiert, die in der Trennung des Geistes von der Physis, seiner Arbeit von der der Hände gelegen war: die Schuld des Privilegs.


Denn noch die einsamste Rede des Künstlers lebt von der Paradoxie, gerade vermöge ihrer Vereinsamung, des Verzichts auf die eingeschliffene Kommunikation, zu den Menschen zu reden.


Kunst ist zum Erben hochspezialisierter handwerklicher Verfahren geworden, als das Handwerk selber ganz durch die Massenproduktion abgelöst war.

 
Damit aber hat der Kenner, dessen kontemplatives Verhältnis zur Kunst immer schon etwas von jenem verdächtigen Geschmack einschloß, den Hegels Ästhetik so gründlich durchschaute, auch sich selber zur Unwahrheit entfaltet, komplementär zu der des Laien, welcher von der Musik nur noch erwartet, daß sie neben seinem Arbeitstag hinplätschere.


Musik hat unterm Zwang der eigenen sachlichen Konsequenz die Idee des runden Werkes kritisch aufgelöst und den kollektiven Wirkungszusammenhang durchschnitten.


Vorm versprengtesten Klang jedoch, der sich dem Netz der organisierten Kultur und ihrer Konsumenten entzieht, wird solche Kultur als Schwindel offenbar.


Die einzigen Werke heute, die zählen, sind die, welche keine Werke mehr sind.


Die Verfahrungsweise der neuen Musik stellt in Frage, was viele Fortschrittliche von ihr erwarten: in sich ruhende Gebilde, die in den Opern- und Konzertmuseen ein für allemal sich betrachten ließen.


Die Annahme einer geschichtlichen Tendenz der musikalischen Mittel widerspricht der herkömmlichen Auffassung vom Material der Musik.


Im Augenblick, da einem Akkord sein historischer Ausdruck nicht mehr sich anhören läßt, verlangt er bündig, daß seinen historischen Implikationen Rechnung trage, was ihn umgibt.


Die Forderungen, die vom Material ans Subjekt ergehen, rühren vielmehr davon her, daß das „Material“ selber sedimentierter Geist, ein gesellschaftlich, durchs Bewusstsein von Menschen hindurch Präformiertes ist.


Nichts als solche Antworten, nichts als Auflösung technischer Vexierbilder sind die Kompositionen, und der Komponist ist einzig der, der sie zu lesen vermag und seine eigene Musik versteht.


Die Krankheit, welche die Idee des Werkes befallen hat, mag von einem gesellschaftlichen Zustand herrühren, der nichts vorgibt, was verbindlich und bestätigt genug wäre, um die Harmonie des selbstgenügsamen Werkes zu garantieren.


Ein Schlag trifft Werk, Zeit und Schein.


Wenn Musik vor anderen Künsten durch die Absenz des Scheins, dadurch, daß sie kein Bild macht, privilegiert ist, dann hat sie doch durch die unermüdliche Aussöhnung ihrer spezifischen Anliegen mit der Herrschaft der Konventionen am Scheincharakter des bürgerlichen Kunstwerks nach Kräften partizipiert.


Wie sehr auch diese Musik gleichsam vegetabilischem Drang ihren Ursprung verdankt, wie sehr auch gerade ihre Unregelmäßigkeit organischen Formen sich anähnelt, nirgends ist sie Totalität.


Schönbergs Stücke sind die ersten, in welchen in der Tat nichts anderes sein kann: sie sind Protokoll und Konstruktion in einem. Nichts ist in ihnen von den Konventionen übriggebliebene, welche die Freiheit des Spiels garantierten.


Mit der Negation von Schein und Spiel tendiert Musik zur Erkenntnis.


Alle Formen der Musik, nicht erst die des Expressionismus, sind niedergeschlagene Inhalte.


Was einmal Zuflucht suchte bei der Form, besteht namenlos in deren Dauer.


Die Formen der Kunst verzeichnen die Geschichte der Menschheit gerechter als die Dokumente.


Die "einsame Rede" spricht mehr aus von der gesellschaftlichen Tendenz als die Kommunikative.


Wie in der Wissenschaft stellt das Zitat Autorität vor.


Die Angst des Einsamen, der zitiert, sucht Halt beim Geltenden.


Man könnte die spätere Zwölftontechnik recht wohl als System von Kontrasten, als Integration des Unverbundenen definieren.


Solange die Kunst die Distanz zum unmittelbaren Leben innehält, vermag sie nicht, über den Schatten ihrer Autonomie und Formimmanenz zu springen.


Verhielt der Expressionismus gegen den Aberglauben ans Organische sich nicht radikal genug, so hat dessen Liquidation noch einmal die Idee des Werks auskristallisiert; das expressionistische Erbe fällt notwendig Werken zu.


Musikantentum ist das geschickte Schalten mit einem abgespaltenen Materialbereich an Stelle der konstruktiven Konsequenz, die alle Materialschichten dem gleichen Gesetz unterwirft.


Der Übergang der musikalischen Organisation an die autonome Subjektivität vollzieht sich vermöge des technischen Prinzips der Durchführung.


Die Durchführung erinnert sich der Variation.


Es ist alles "dasselbe". Aber der Sinn dieser Identität reflektiert sich als Nicht-Identität. So geartet ist das Ausgangsmaterial, daß es Festhalten zugleich es verändern heißt.


"Ist" es doch gar nicht an sich, sondern nur im Hinblick auf die Möglichkeit des Ganzen.


Der zu früh wiederkehrende ebenso wie der "freie", vorm Ganzen zufällige Ton wird tabuiert.

 
Ein System der Naturbeherrschung in Musik resultiert. Es entspricht einer Sehnsucht aus der bürgerlichen Urzeit: was immer klingt, ordnend zu „erfassen“, und das magische Wesen der Musik in menschliche Vernunft aufzulösen.


Die bewusste Verfügung übers Naturmaterial ist beides: die Emanzipation des Menschen vom musikalischen Naturzwang und die Unterwerfung der Natur unter menschliche Zwecke.

 
Es ist aber das unterdrückende Moment der Naturbeherrschung, das umschlagend gegen die subjektive Autonomie und Freiheit selber sich wendet, in deren Namen die Naturbeherrschung vollzogen ward.


Musik ist der Feind des Schicksals. Seit ältesten Zeiten hat man ihr die Macht des Einspruchs gegen die Mythologie zugeschrieben, im Bilde des Orpheus nicht anders als in der chinesischen Musiklehre.

 
Stimmigkeit als ein mathematisches Aufgehen setzt sich an die Stelle dessen, was der traditionellen Kunst "Idee" hieß und was freilich in der Spätromantik zur Ideologie verkam, zur Behauptung metaphysischer Substantialität durch stofflich krude Befassung der Musik mit den letzten Dingen, ohne daß diese in der reinen Gestalt des Gebildes gegenwärtig wären.


Die Faktur als solche soll richtig sein anstatt sinnvoll.

 
Naturbeherrschung aber und Schicksal sind nicht zu trennen.

 
Das Subjekt gebietet über die Musik durchs rationale System, um selber dem rationalen System zu erliegen.

 
Hat die Phantasie des Komponisten das Material dem konstruktiven Willen ganz gefügig gemacht, so lähmt das konstruktive Material die Fantasie.

 
Der Wagnerische Satz von der Regel, die man selber stelle und dann befolge, enthüllt seinen verhängnisvollen Aspekt.

 
Keine Regel erweist sich als repressiver denn die selbst gestellt.

 
Die Gewalt, die die Massenmusik den Menschen antut, lebt fort am gesellschaftlichen Gegenpol, bei der Musik, die den Menschen sich entzieht.

 
Der Inhalt der Norm ist mit dem der spontanen Erfahrung identisch.

 
Die totale Rationalität der Musik ist ihre totale Organisation.

 
Durch Organisation möchte die befreite Musik das verlorene Ganze, die verlorene Macht und Verbindlichkeit Beethovens wiederherstellen.

 
Das Mißlingen des technischen Kunstwerks aber ist nicht bloß eines vor seinem ästhetischen Ideal, sondern eines in Technik selber.

 
Alle neue Sachlichkeit droht insgeheim dem zu verfallen, was sie am grimmigsten befehdet: dem Ornament.


Indem der Schein am Kunstwerk abstirbt, so wie es im Kampf gegen das Ornament sich indiziert, beginnt der Standort des Kunstwerks überhaupt unhaltbar zu werden.

 
Alles, was keine Funktion hat am Kunstwerk - und damit alles, was das Gesetz seines bloßen Daseins übersteigt - wird ihm entzogen.


Die Auflösung der Scheincharaktere am Kunstwerk wird von dessen eigener Konsistenz gefordert. Aber der Auflösungsprozeß, den der Sinn des Ganzen befiehlt, macht das Ganze sinnlos.

 
Das integrale Kunstwerk ist das absolut widersinnige.

 
Die verfügende Disposition übers Ganze vertreibt die Spontaneität der Momente.

  
Schönberg hat darauf hingewiesen, daß die traditionelle Kompositionslehre im Grunde nur Anfänge und Schlüsse abhandele und niemals die Logik der Fortsetzung.


Wird der musikalische Nominalismus, die Abschaffung aller wiederkehrenden Formeln zu Ende gedacht, so überschlägt sich die Differenzierung.

 
Daher erlaubte die traditionelle Musik weit subtilere Nuancen, als wenn jedes musikalische Ereignis bloß für sich selber steht.

 
Verfeinerung wird am Ende mit Vergröberung bezahlt.

 
Die Nuance endet in der Gewalttat - symptomatisch vielleicht für die historischen Veränderungen, die zwangsmäßig mit allen Kategorien der Individuation heute sich zutragen.

 
Das Gesetz der komplementären Harmonik impliziert bereits das Ende der musikalischen Zeiterfahrung, wie es in der Dissoziation der Zeit nach expressionistischen Extremen angemeldet war.

 
Die Reinigung vom Leittonwesen, das als tonales Residuum in der freien Atonalität fortwirkte, führt zu einer Beziehungslosigkeit und Starrheit der sukzessiven Momente, die nicht nur als korrektive Kälte ins Wagnerische expressive Treibhaus eindringt, sondern darüber hinaus die Drohung der spezifisch musikalischen Sinnlosigkeit, der Liquidation des Zusammenhangs enthält.

 
Es gibt kein anarchisches Zueinanderwollen der Klänge mehr, bloß ihre monadische Beziehungslosigkeit und die planende Herrschaft über alle. Daraus resultiert erst recht der Zufall.

 
Es steht nicht in der Macht des Komponierens, dass die historischen Implikationen des Materials vergessen zu lassen.

 
Es ergibt sich ein funkelnd geschlossener Klang mit unablässig wechselnden Lichtern und Schatten, angeähnelt einer höchst komplizierten Maschine, die in der schwindelnden Bewegung aller ihrer Teile auf der Stelle verharrt.

 
So deutlich, sauber und blank wird der Klang wie die positivistische Logik.

 
Das Traumprotokoll beruhigt sich zum Protokollsatz.

 
In den polyphonen Verstößen Bachs und Beethovens war mit verzweifelter Energie der Ausgleich von Generalbaßchoral und echter Vielstimmigkeit, einer zwischen subjektiver Dynamik und verbindlicher Objektivität, angestrebt.

 
Bei Bach gibt die Tonalität die Antwort auf die Frage, wie Mehrstimmigkeit als harmonische möglich sei. Darum ist Bach in der Tat, wofür Goethe ihn hielt: Harmoniker.


Das Anliegen des Kontrapunktes war nicht die gelungene und ergänzende Addition von Stimmen, sondern die Organisation von Musik derart, daß sie jeder in ihr enthaltenen Stimme notwendig bedarf, und daß jede Stimme, jede Note genau ihre Funktion in der Textur erfüllt.


Das Gewebe muss so konzipiert sein, daß das Verhältnis der Stimmen zueinander den Verlauf des ganzen Stückes, schließlich die Form erzeugt.

 
Man könnte aber den Kontrapunkt selber gerade als Ausdruck der Differenz der Dimensionen in der abendländischen Musik auffassen.


Man kann sich allenfalls vorstellen, daß das Sonatenschema in freier Atonalität, nach Beseitigung des modulatorischen Grundes der Korrespondenz, etwas von diesem Sinn behält, wenn nämlich das Triebleben der Klänge so kräftige Tendenzen und Gegentendenzen entwickelt, daß die Idee des "Ziels" sich behauptet, und daß der symmetrische Repriseneinsatz seiner Idee Genüge tut.


Bis heute hat die offizielle Musiktheorie sich nicht darum bemüht, den Begriff der Fortsetzung als Formkategorie zu präzisieren, obwohl ohne den Gegensatz von "Ereignis" und Fortsetzung gerade die großen Formen der traditionellen Musik, aber auch die Schönbergischen, nicht verstanden werden können.


An Tiefe, Maß und Eindringlichkeit der Fortsetzungscharaktere haftet eine Qualität, die über den Wert von Stücken und selbst über den ganzer Formtypen entscheidet.


Große Musik indiziert sich in dem Augenblick des Verlaufs, wo ein Stück wirklich zur Komposition wird, aus dem eigenen Gewicht ins Rollen kommt und das Dies-da der thematischen Setzung, von der es ausgeht, transzendiert.


Alles bleibt beim alten, und die Zwölftontechnik nähert sich der ziellos umschreibenden, vor-Beethovenschen Gestalt der Variation, der Paraphrase. Sie bringt die Tendenz der gesamten Geschichte der europäischen Musik seit Haydn, wie sie mit der gleichzeitigen deutschen Philosophie aufs engste verschränkt ist, zum Stillstand.

 
Aber es ist denkbar, daß die Unangemessenheit des Ausdrucks, der Bruch zwischen ihm und der Konstruktion, noch als Mangel der letzteren bestimmbar bleibt, als Irrationalität der rationalen Technik. Um ihres blinden Eigengesetzes willen versagt sie sich dem Ausdruck und transponiert diesen ins Erinnerungsbild des Vergangenen, wo er das Traumbild des Zukünftigen meint.


Der Komponist muß obendrein unermüdlich Akrobatenkünste vollführen, um die Prätention der selbstgemachten Sprache ins Erträgliche zu mildern, die sich steigert, je besser er sie spricht.


Klappernde Wahnsysteme sind bereit, jeden zu verschlingen, der arglos etwa die selbstgemachte Sprache als bestätigte sich vorgeben wollte.

 
Kein Künstler vermag es, von sich aus den Widerspruch zu entfesselten Kunst zur gefesselten Gesellschaft aufzuheben: alles, was er vermag, ist, durch entfesselte Kunst der gefesselten Gesellschaft zu widersprechen, und auch daran muß er fast verzweifeln.

 
Sie sperren sich, nicht, weil sie das Neue nicht verstünden, sondern weil sie es verstehen.


Sie sind zu schwach, um sich mit dem Unerlaubten einzulassen.

 
Stolz auf die Entdeckung, daß das Interessante langweilig zu werden beginnt, reden sie sich und anderen ein, das Langweilige sei darum interessant.


Es besteht keine Nachfrage mehr.


Webern realisiert die Zwölftontechnik und komponiert nicht mehr: Schweigen ist der Rest seiner Meisterschaft.


In sonderbar infantilem musikalischem Naturglauben wird das Material mit der Kraft begabt, von sich aus den musikalischen Sinn zu setzen.


Es ist die verbindlichste kritische Erfahrung, die den bedeutenden Komponisten dem Kultus der reinen Proportionen zutrieb.


Die Möglichkeit von Musik selber ist ungewiß geworden.

 
"Das Kunstwerk", schrieb vor vierzig Jahren der expressionistische Schönberg, "ist ein Labyrinth, an dessen jedem Punkt der Kundige Ein- und Ausgang weiß, ohne daß ihn ein roter Faden leitet."


Mit andern Worten, aufs Überwintern ist nur zu hoffen, wenn die Musik auch von der Zwölftontechnik noch sich emanzipiert. Das aber nicht durch Rückfall in die Irrationalität, die ihr vorausging und die in jedem Augenblick heute von den Postulaten des strengen Satzes durchkreuzt werden müßte, welche die Zwölftontechnik ausgebildet hat, sondern dadurch, daß die Zwölftontechnik vom freien Komponieren, ihre Regeln von der Spontaneität des kritischen Ohrs absorbiert werden.


Was als Bereich ihrer Normen erscheint, ist bloß der Engpaß der Disziplin, durch den alle Musik hindurch muß, die nicht dem Fluch der Kontingenz verfallen will, längst nicht aber das vielgelobte Land ihrer Objektivität.


Die Unmöglichkeit gibt den Motor der lernenden Anstrengung ab.


Setzt die Zwölftontechnik einen Damm dagegen, so hat sie schon genug getan, selbst wenn sie das Reich der Freiheit noch nicht betritt.


Sie degradiert das Subjekt zum Sklaven des "Materials", als des leeren Inbegriffs der Regeln, in dem Augenblick, in dem das Subjekt das Material sich, nämlich seiner mathematischen Vernunft, vollends unterwarf.

 
Mit andern Worten, am sinnlichen Phänomen der Musik, wie es einzig in die konkrete Erfahrung fällt, ist die objektive Vernunft des Systems nicht nachzuvollziehen.

 
Musik wird sich ihrer selbst als die Erkenntnis bewußt, die große Musik von je gewesen ist.

 
Schönberg hat einmal gegen die animalische Wärme der Musik gesprochen und gegen die Wehleidigkeit.

 
Erst die letzte Phase der Musik, in der gleichsam abgeschnitten und über den Abgrund des Verstummens hinweg das Subjekt durch die vollkommene Entäußerung seiner Sprache gerade sich mitteilt, rechtfertigt jene Kälte, die als mechanisch geschlossenes Funktionieren bloß zum Verderben taugte.


Als Tendenz zur Dissoziation aber hat die Vergleichgültigung des Materials seit Beginn der Zwölftontechnik sich fühlbar gemacht.

 
Seit es Zwölftontechnik gibt, gibt es eine lange Reihe von »Nebenwerken«, Bearbeitungen, Stücken, die auf die Zwölftontechnik verzichten, oder solchen, die sie in den Dienst von Zwecken stellen und gleichsam fungibel machen.


Es ist Grund zur Annahme, daß Schönberg sein ganzes Leben lang an Häresien gegen den "Stil" seine Freude hatte, dessen Unerbittlichkeit von ihm selber kommt.

 
Es ist kaum zufällig, daß all den späten Nebenwerken eines gemeinsam ist: größere Konzilianz dem Publikum gegenüber.

 
Die unerbittliche Musik vertritt die gesellschaftliche Wahrheit gegen die Gesellschaft. Die konziliante erkennt das Recht auf Musik an, das die Gesellschaft auch als falsche trotz allem noch besitzt, so wie sie auch als falsche sich reproduziert und damit objektiv Elemente ihrer eigenen Wahrheit beistellt durch ihr Überleben.


Als Repräsentant der vorgeschrittensten ästhetischen Erkenntnis rührt Schönberg an deren Grenze: daß nämlich das Recht ihrer Wahrheit das Recht, welches noch dem schlechten Bedürfnis innewohnt, niederschlägt.

 
Auch die Tonalität fügt sich der totalen Konstruktion, und für den letzten Schönberg ist es nicht durchaus entscheidend mehr, womit er komponiert.


Wem einmal die Verfahrungsweise alles bedeutet und der Stoff nichts, vermag auch dessen sich zu bedienen, was verging und was darum selbst dem gefesselten Bewußtsein der Konsumenten offen ist.

 
In nichts vielleicht unterscheidet Schönberg so gründlich sich von allen anderen Komponisten wie in der Fähigkeit, stets und stets wieder, mit jedem Umschlag seiner Verfahrungsweise, abzuwerfen und zu verneinen, was er vorher besessen hat.

 
Die Rebellion gegen den Besitzcharakter der Erfahrung ist unter den tiefsten Impulsen seines Expressionismus zu vermuten.

 
Die Spontaneität der musikalischen Anschauung verdrängt alles Vorgegebene, weist fort, was immer man gelernt hat, und läßt allein den Zwang der Imagination gelten.

 
Als Künstler gewinnt er den Menschen die Freiheit von der Kunst wieder.


Der dialektische Komponist gebietet der Dialektik Halt.

 
Durch Kunstfeindschaft nähert das Kunstwerk sich der Erkenntnis.

 
Das geschlossene Kunstwerk erkannte nicht, sondern ließ in sich Erkenntnis verschwinden.
Es machte sich zum Gegenstand bloßer "Anschauung" und verhüllte alle die Brüche, durch welche Denken der unmittelbaren Gegebenheit des ästhetischen Objekts entweichen könnte.

 
Damit begab das traditionelle Kunstwerk selber sich des Denkens, der verbindlichen Beziehung auf das, was es selber nicht ist.

 
Erst das zerrüttete Kunstwerk gibt mit seiner Geschlossenheit die Anschaulichkeit preis und den Schein mit dieser.

 
Schon die traditionelle Kunst erkennt um so mehr, je tiefer sie die Widersprüche ihrer eigenen Materie ausprägt und damit Zeugnis ablegt von den Widersprüchen der Welt, in der sie steht.

 
Im Akt der Erkenntnis, den Kunst vollzieht, vertritt ihre Form Kritik am Widerspruch dadurch, daß sie auf die Möglichkeit seiner Versöhnung weist und damit auf das Kontingente, Überwindbare, Nichtabsolute am Widerspruch.

 
Ihr Erkenntnischarakter wird aber in dem Augenblick radikal, in dem sie sich nicht mehr dabei bescheidet. Das ist die Schwelle der neuen Kunst. So tief faßt diese die eigenen Widersprüche, daß sie nicht mehr sich schlichten lassen.

 
Die neue Kunst läßt den Widerspruch stehen und legt das kahle Urgestein ihrer Urteilskategorien - der Form - frei. Sie wirft die Würde des Richters von sich und tritt in den Stand der Klage zurück, die einzig von der Wirklichkeit versöhnt werden kann.

 
Erst im fragmentarischen, seiner selbst entäußerten Werk wird der kritische Gehalt frei.

 
Entweichend überläßt das Subjekt den Hohlraum des Werks dem gesellschaftlich Möglichen.

 
Denn was den "Sinn" von Musik, auch der freien Atonalität, ausmacht, ist nichts anderes als der Zusammenhang.

 
Schönberg ist so weit gegangen, die Kompositionslehre geradewegs als Lehre vom musikalischen Zusammenhang zu definieren, und alles, was in Musik mit Grund sinnvoll genannt werden kann, hat Anspruch darauf, weil es als Einzelheit über sich hinausgeht und auf das Ganze sich bezieht, so wie umgekehrt das Ganze die bestimmte Forderung nach diesem Einzelnen in sich schließt.

 
Solches Hinausweisen der ästhetischen Teilmomente über sich selber, während sie zugleich gänzlich im Raum des Kunstwerks verbleiben, wird als Sinn des Kunstwerks empfunden.

 
Es ist die Rebellion der Musik gegen ihren Sinn.

 
Der Zusammenhang in diesen Werken ist die Negation des Zusammenhangs, und ihr Triumph ist darin gelegen, daß Musik sich als Widerpart der Wortsprache erweist, indem sie gerade als sinnlose zu reden vermag, während alle geschlossenen musikalischen Kunstwerke im Zeichen der Pseudomorphose mit der Wortsprache stehen.

 
Die Emanzipation der Musik heute ist gleichbedeutend mit ihrer Emanzipation von der Wortsprache, und sie ist es, die in der Zerstörung des "Sinnes" wetterleuchtet.

 
Was in Wahrheit statthat, ist die Dissoziation von Sinn und Ausdruck.

 
Musik und Weinen öffnen die Lippen und geben den angehaltenen Menschen los.

 
Der Mensch, der sich verströmen läßt im Weinen und einer Musik, die in nichts mehr ihm gleich ist, läßt zugleich den Strom dessen in sich zurückfluten, was nicht er selber ist und was hinter dem Damm der Dingwelt gestaut war.

 
In der Potentialität der letzten Phase der Musik meldet sich ein Wechsel ihres Standorts an. Sie ist nicht länger Aussage und Abbild eines Inwendigen, sondern ein Verhalten zur Realität, die sie erkennt, indem sie nicht länger im Bilde sie schlichtet.

 
Die Kunstwerke sind wie alle Niederschläge des objektiven Geistes die Sache selbst.

 
Man darf es als das innerste Anliegen der Werke vermuten, eben der Dialektik sich zu entziehen, der sie gehorchen.

 
Die Unmenschlichkeit der Kunst muß die der Welt überbieten um des Menschlichen willen.

 
Darin, für das Niegewesene immer wieder Schemata des Bekannten zu entwerfen, liegt der ganze Ernst den künstlerischen Technik.

 
Alle Musik bis heute mußte für den Klang der kollektiven Verbindlichkeit mit dem Gewaltakt gegen das Subjekt, mit der Inthronisierung eines Mechanischen als Autorität zahlen.


Musik kennt nur um so viel Entwicklung, wie sie ein Festes, geronnenes kennt;


Subjektivierung und Vergegenständlichung von Musik sind das Gleiche.

 
Das Amorphe hat nichts von Freiheit, sondern ähnelt dem Zwangshaften bloßer Natur sich an: nichts starrer als der "Entstehungsvorgang".


Das Paradoxon löst sich historisch.

 
Musik verspricht, indem sie alles Gewicht auf ihre bloße Existenz legt und den Anteil des Subjekts unter ihrer emphatischen Stummheit versteckt, dem Subjekt den ontologischen Halt, den es durch die gleiche Entfremdung verlor, welche die Musik als Stilprinzip wählt.

 
Schon in den früheren Balletten Strawinskys fehlt es nicht an Passagen, wo die »Melodie« in der Musik ausgespart ist, um in der wahren Hauptstimme, der Körperbewegung auf der Szene, zu erscheinen.


Das kritische Verhältnis zum Ausdruck ist aller verantwortlichen Musik heute gemein.

 
Nur was den metaphysischen Anspruch von Unendlichkeit erhebt, sucht eben damit den Charakter des Gemachten als beschränkend aufzuheben und als Absolutes sich zu setzen.

 
Aber die deutsche Ideologie gebietet, eben dieses Moment zu verdecken: gerade die Herrschaft des Künstlers über die Natur soll selber als Natur erscheinen.

 
Neben der totalen Rationalisierung des Materials in der Zwölftontechnik läuft ein Kinderglaube an den Genius, der schließlich in skurrilen Prioritätsstreitigkeiten, possessiven Ansprüchen auf Originalität kulminiert.

 
Indem das artifizielle Moment der Musik, das "Machen", seiner selbst bewußt wird und sich einbekennt, verliert es den Stachel der Lüge, reiner Seelenlaut, primär, unbedingt zu sein.

 
Die Musik über Musik gibt zu verstehen, daß sie kein in sich erfüllter Mikrokosmos, sondern die Reflexion des Zerbrochenen und Entleerten sei.

 
Wie ein Kind Spielzeug demontiert und dann mangelhaft wieder zusammensetzt, so benimmt die infantilistische Musik sich zu den Modellen.

 
Erinnerungstrümmer werden aneinandergereiht, nicht musikalisch unmittelbares Material aus der eigenen Triebkraft entfaltet.

 
Die Komposition verwirklicht sich nicht durch Entwicklung, sondern vermöge der Risse, welche sie durchfurchen.

 
Damit aber dissoziiert sich das musikalische Zeitkontinuum selber.

 
Das Gehör muß sich umschulen, um Debussy richtig wahrzunehmen, nicht als einen Prozeß mit Stauung und Auslösung, sondern als ein Nebeneinander von Farben und Flächen, wie auf einem Bild.

 
Die Sukzession exponiert bloß, was dem Sinne nach simultan ist: so wandert der Blick über die Leinwand.

 
Er opfert den Schein von Authentizität als unvereinbar mit dem Stand jenes Bewußtseins, das von der liberalen Ordnung so weit zur Individuation vorgetrieben ward, bis es die Ordnung negiert, die es dahin brachte.

 
Stilwille ersetzt den Stil und sabotiert ihn damit.

 
Keine Objektivität dessen, was das Gebilde von sich aus will, wohnt dem Objektivismus inne.

 
Ästhetische Authentizität ist gesellschaftlich notwendiger Schein: kein Kunstwerk kann in einer auf Macht gegründeten Gesellschaft gedeihen, ohne auf die eigene Macht zu pochen, aber damit gerät es in Konflikt mit seiner Wahrheit, mit der Statthalterschaft für eine kommende Gesellschaft, die Macht nicht mehr kennt und ihrer nicht mehr bedarf.

 
Das Echo des Uralten, die Erinnerung an die Vorwelt, von der aller ästhetische Anspruch auf Authentizität lebt, ist die Spur des perpetuierten Unrechts, das sie zugleich im Gedanken aufhebt, aber dem sie doch auch all ihre Allgemeinheit und Verbindlichkeit bis heute einzig verdankt.

 
Vielleicht wäre authentisch erst die Kunst, die der Idee von Authentizität selber, des so und nicht anders Seins, sich entledigt hätte.